Man sieht Kinder der Theatergruppe des Weststadzbüros
Was Theaterspielen alles bewirken kann

01.08.2023

Die Sozialarbeiterin Isabella Richter, welche im Mai 2022 als hauptamtliche Mitarbeiterin zum Team des Weststadtbüros hinzugestoßen ist, hat von Oktober 2022 bis Ende Mai 2023 ein Theaterprojekt für Kinder ab 9 Jahren geleitet.

Ihr habt euch das Stück „Das geheimnisvolle Museum“ selbst ausgedacht.
Wie war der Entstehungsprozess?

Das Theaterprojekt ist partizipativ ausgerichtet und soll die Kinder in der Erfahrung von Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung unterstützen. Die Kinder haben daher in Kreisrunden gemeinsam und weitestgehend eigenständig das Thema beschlossen und die Geschichte erarbeitet. Hierfür sammelten sie erst verschiedene Ideen, die sie dann in demokratischer Abstimmung abwogen und sich gemeinsam für ein Thema entschieden.

Ebenso gestaltete sich dies mit der eigentlichen Geschichte. Jedes Kind hatte Raum, um Wünsche und Ideen zu äußern, die dann gemeinsam besprochen wurden. In demokratischer Abstimmung entstand somit eine Storyline. Die Kursleitung und eine weitere pädagogische Kraft haben die Kinder beim Erproben von demokratischen Prozessen unterstützt und begleitet.

Wie lange habt ihr geprobt, bis der Text gesessen hat?
Ende Februar haben wir Stück für Stück angefangen uns die einzelnen Szenen vorzunehmen. Das Üben des kompletten Stücks hat im April angefangen. Die Theatergruppe wies eine hohe Heterogenität auf. Manche Kinder waren sehr textsicher andere wiederum sehr unsicher. In den letzten zwei Wochen wurden starke Leistungssprünge ersichtlich. Die Kinder wurden sicherer im Auftreten und Vortragen. Die Kinder waren stolz auf sich selbst und äußerten dies.

Habt ihr bei der Aufführung auch improvisiert?
Natürlich. Die Kinder waren super aufgeregt, weil viele von Ihnen noch nie vor einem fremden Publikum und dann gleich auch noch vor einem so großen Publikum (ungefähr 100 Personen) aufgetreten sind. Das hat dem Theaterstück aber keinen Abbruch getan. Ganz im Gegenteil. Wir hatten viele Improvisationstalente unter den Theaterkids und Situationen, in denen improvisiert werden muss, bereits geübt.

Hat das Stück dazu beigetragen, dass die Kids sich mehr mit Texten auseinandersetzen?
Das Stück beziehungsweise das Theaterspielen an sich hat in hohem Maße dazu beigetragen, dass sich die Kids mit Texten und vor allem mit der Bedeutung der Worte auseinandersetzen. Die Kinder haben sich intensiv mit der Bedeutung der gesprochenen Worte beschäftigt, um Charaktere authentisch spielen zu können und sich in ihre Rolle hineinzuversetzen. Die Intonation, die Gestik und Mimik der Kinder wurde intensiver und authentischer je länger wir uns mit den Texten auseinandersetzten. Die Kinder wurden sicher im Erproben von neuen Rollen und fragten uns Erwachsene weniger um Rat bei der Verkörperung von neuen Charakteren.

Gab es im Team einzelne Kinder, die die anderen motiviert haben? Und umgekehrt, gab es Kinder, die am Anfang ganz schüchtern waren und selbstbewusster durch das Theater-Projekt geworden sind?
Die Kinder waren von Anfang an Feuer und Flamme fürs Theaterspielen. Das Ausleben von Fantasie, der große Handlungs- und freie Gestaltungspielraum kommt bei den Kindern gut an und macht Lust auf mehr. Die Kinder haben sich häufig gegenseitig selbst motiviert. Vereinzelte Motivationstiefs wurden von der Gruppe aufgefangen und gemeinsam bearbeitet. Je näher das Ziel – die Aufführung des Theaterstücks – rückte, umso motivierter und enthusiastischer wurden die Kids.

Viele der Theaterkinder waren anfangs schüchtern und wollten Theaterszenen nicht vor der Gruppe präsentieren und vortragen. Diese Einstellung hat sich um hundertachtzig Grad gedreht. Anfangs wollten die Kinder nicht mal in Kleingruppen mit der Unterstützung von anderen Kindern vor den anderen auftreten. Mittlerweile sind alle Kids ganz scharf drauf vor der Gruppe zu schauspielern. Sie helfen sich gegenseitig und zeigen spontan, wie die Szene anders vorgetragen und geschauspielert werden könnte.

Wie kann man das Selbstbewusstsein von Kindern durch ein solches Projekt stärken?
Der Alltag von Kindern ist geprägt durch viele Regularien und wenig Raum zur kreativen Entfaltung. Die Entfaltung der Persönlichkeit und das Kennenlernen und Wissen um die eigenen Stärken ist jedoch enorm wichtig bei der Entwicklung des Selbstbewusstseins. Die kreative Entfaltung und das Erleben von Freiheit steht im Theaterprojekt im Fokus. Hier dürfen sich die Kids in einem geschützten Raum ausprobieren.

Sie erfahren, dass Ihre Wünsche von der Gruppe angenommen und wertgeschätzt werden. Sie haben die Möglichkeit, sich in unterschiedlichen Kontexten auszuprobieren und dafür nicht verurteilt zu werden. Sie werden von der Gruppe bestärkt und können ihrer Fantasie beim Schauspielern Ausdruck verleihen und ihre Fähigkeiten kennenlernen und erweitern.

Gibt es weitere positive Effekte dieser kreativen Arbeit?
Die Kinder haben sich im Laufe der Zeit zu einem festen Team etabliert. Sie hatten ein gemeinsames Ziel, die Theateraufführung, vor Augen. Sie haben gelernt, dass sie zusammen viel erreichen können und an einem Strang ziehen müssen, um dies zu erreichen. Gegenseitiger Respekt, das Mitnehmen jedes einzelnen Gruppenmitglieds sowie das Anerkennen der einzelnen Stärken trägt viel zum Erfolg der Gruppe bei.

Und was sagen die Kinder?
Die meisten von euch haben bestimmt zum ersten Mal auf einer Bühne gestanden. Ihr habt das Stück vor euren Eltern, Freunden, Verwandten und Bekannten aufgeführt. Was war das für ein Gefühl?

• „Ich war sehr aufgeregt, weil viele Menschen da waren“
• „Es war sehr schön, ich war sehr stolz auf mich selbst“
• „Ich war aufgeregt und habe versucht mich selbst zu beruhigen“
• „Ich hatte ein Kribbeln im Bauch“
• „Ich war ein bisschen traurig, weil es danach vorbei war“

Was gefällt euch besonders am Theaterspielen?
• „Mir gefällt, eine andere Person zu sein.“
• „Man kann zeigen, wie fantasievoll man ist.“
• „Ich mag es, in eine andere Rolle zu schlüpfen.“
• Ich finde es toll „Action“ zu erleben, immer etwas zu machen“

Das Projekt ging auch über mehrere Monate. Hattet ihr zwischendurch auch Phasen, wo es Durchhänger gab, wo ihr euch motivieren musstet, wieder hinzugehen? Oder wart ihr die ganze Zeit voll dabei?
• „Ja, wenn viel über Dinge geredet wurde, hatte ich einen Durchhänger, aber das Spielen war super und
hat wieder motiviert“
• „Am Ende war ich besonders motiviert und habe viel geübt“
• „Ich war von manchen Kids genervt, aber das Schauspielen war sehr schön.“
• „Ich war von Anfang an sehr motiviert.“
• „Ich war die ganze Zeit voll dabei“
• „Es war immer toll“

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