Junge sitzt an einem Tisch. Er hat ein Bild gemalt das die Scheidung seiner Eltern darstellt. Der Junge ist traurig.
Foto: © istockphoto.com/FatCamera
Wie Kinder die Trennung ihrer Eltern erleben

03.02.2021

Eine besorgte Mutter meldet in unserer Familienberatungsstelle an und berichtet im Erstgespräch mit dem Berater davon, dass sie sich vor drei Monaten vom Vater in der Hoffnung getrennt habe, dass der häufige Streit in der Familie aufhöre und alle Familienmitglieder zur Ruhe kommen könnten.

Anschließend erzählt sie, dass es anfänglich auch so eingetreten sei, sich jedoch inzwischen verändert habe. Vor allem ihr siebenjähriger Sohn sei oft sehr traurig und frage dann, ob der Papa nicht wieder einziehen könne. Die Mutter hält inne und sagt, dass sie mit der Trauer ihres Sohnes nicht gerechnet habe, da das Zusammenleben jetzt viel ruhiger und entspannter sei.

Kinder, die von einer Trennung ihrer Eltern betroffen sind, reagieren in aller Regel nach außen wie auch weniger sichtbar nach innen gewandt mit starken Gefühlen auf die massive Veränderung, die durch eine Trennung der Eltern hervorgerufen wird. Häufig zieht ein Elternteil in eine andere Wohnung und manchmal auch an einen anderen Ort. Plötzlich gibt es keine gemeinsamen Aktivitäten mehr als Familie und es heißt nur noch Mama- oder Papazeit. Auch wenn die exklusive Zeit mit einem Elternteil wohltuend und schön sein kann, fehlt eben doch das Erleben beider Elternteile in einer gemeinsamen Interaktion. Der Abschied von der gewohnten Familienform und Übergang zu einer Teilfamilie kann schmerzhaft und angstauslösend sein.

Tatsächlich ist die Trennungsverarbeitung von Kindern ein Prozess, der dem Verlauf der Verarbeitung von Trauer um einen geliebten Menschen nahezu gleicht. Auch hier wechseln sich achterbahnförmig mitunter starke Gefühle von Ignoranz, Wut, Trauer und Verlust- und Trennungsängsten ab, die Eltern vor vielschichtige Herausforderungen stellen können.

Häufig treten diese Gefühlsausbrüche von Kindern urplötzlich und ohne Anlass auf, was es erschweren kann, die sprunghafte Emotionalität der Kinder zu verstehen und eine Einordnung vorzunehmen. Was in solchen Situationen helfen kann, ist Kindern ihr Gefühl zu spiegeln und einen Zusammenhang mit der Trennung der Eltern zu erfragen. Nicht selten stellt sich bei einem solchen emotionalen Coaching von Kindern heraus, dass sich hinter dem Gefühlsausbruch ein Vermissen verbirgt, den anderen Elternteil nicht um sich zu haben.

Die Sehnsucht nach dem anderen Elternteil zeigt, wie schwer es Kindern vor allem im ersten Trennungsjahr fallen kann, zu akzeptieren, dass beide Elternteile nicht mehr gemeinsam verfügbar sind und eine wichtige Bindungsperson immer zu fehlen scheint. Ein Verlust, der zum Bestandteil der Realität von Kindern wird und einem Verarbeitungsprozess unterliegt, der Zeit und Geduld benötigt. Dennoch gibt es Möglichkeiten, Kindern die Verarbeitung der Trennung ihrer Eltern zu erleichtern. Eine bindungstolerante Haltung beider Elternteile zueinander hilft enorm dabei, die Sehnsucht des Kindes nach dem anderen Elternteil zu erkennen und gegebenenfalls zu stillen. Ein Anruf beim anderen Elternteil kann bereits zur Linderung beitragen, um das Kind wissen zu lassen, dass der Elternteil noch präsent ist und nicht verschwunden sein kann.

Ist der andere Elternteil nicht verfügbar, ist es wichtig, dem Kind Trost zu spenden und Aufmerksamkeit zu schenken. Vor allem Körperkontakt ist in jüngeren Altersstufen von Kindern bedeutsam, um den Erregungszustand zu regulieren und eine Beruhigung herbeizuführen.

Von essentieller Bedeutung ist es zudem, einen geregelten und verlässlichen Betreuungsrahmen zu schaffen, der auch dem anderen Elternteil genügend Zeit gibt, eine gute Bindung zum Kind aufrechterhalten zu können.

Die gute Nachricht zum Schluss: Wenn Eltern auf eine stabile Elternebene finden, verbindliche Absprachen treffen und folglich Transparenz für das Kind erzeugen, ist auch das Trennungsjahr wie auch das Trauerjahr zeitlich befristet und endlich. Nach Ablauf dieser Zeitspanne stellt sich unter angemessenen Entwicklungsbedingungen eine Entspannung ein, die dadurch entsteht, dass das Kind die Trennung seiner Eltern zu akzeptieren gelernt hat und sich im Wechsel zwischen beiden Elternteilen sicher und angstfrei bewegen kann.

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Christian Weiner
Autor:
Christian Weiner ist, Diplom-Pädagoge bei der ask Familienberatungsstelle im Albert-Schweitzer-Kinderdorf Wetzlar
https://ask-hessen.de/

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