28.05.2020
Carola Menzel-Kolb ist Karriereberaterin und Coach. Sie leitet Workshops für Arbeitssuchende und berät private Klienten. Ihre Themen sind Resilienz – wie stärke ich meine Widerstandsfähigkeit, erfolgreich bewerben und kommunizieren. GRASHÜPFER hat sie gefragt:
Frau Menzel-Kolb, was sind Ihre Tipps für unsere Leser in der Krise?
Jeder, der befürchtet seinen Arbeitsplatz zu verlieren, egal ob als Selbstständiger oder Angestellter, sollte spätestens jetzt die eigenen Bewerbungsunterlagen auf den neusten Stand bringen und sich mit einer gegebenenfalls notwendigen Neuorientierungauseinandersetzen.
Das klingt nach Panik und überstürzter Handlung.
Nein, im Gegenteil. Panik entsteht, wenn ich keine Ideen für mögliche Lösungen habe. Das oberste Gebot für eine gute Widerstandskraft (Resilienz) ist es, realistisch und optimistisch in die Zukunft zu schauen.
Wer stets offen möglichen Veränderungen gegenübersteht, denkt lösungsorientierter, spürt die eigenen Handlungsmöglichkeiten und kann schneller agieren, statt später nur noch zu reagieren.
Heißt das, dass sich jetzt jeder Einzelhändler und Restaurantbesitzer nach einem neuen Job umsehen sollte?
Nein, nicht unbedingt. Ich weiß zum Beispiel von einem Einzelhändler, der ohne staatliche Unterstützung auskommt, weil er jetzt über soziale Netzwerke intensive Kundenakquise betreibt und einen Auslieferservice anbietet. Wahrscheinlich laufen seine Geschäfte schon bald besser als vor der Krise. Man sagt nicht umsonst: „Not macht erfinderisch“.
Und was ist mit den Arbeitnehmern? Ist es überhaupt sinnvoll, sich im Moment zu bewerben?
Ja, auf jeden Fall! Wenn man in der derzeitigen Tätigkeit nur wenig Zukunft sieht oder selbst schon mit dem Gedanken einer Neuorientierung gespielt hat, sollte man sich unbedingt jetzt bewerben! Es gibt nach wie vor Firmen, die neue Mitarbeiter einstellen – nicht nur in den Bereichen Lebensmittel und Gesundheitsmanagement. Das Anzeigenschalten ist für die Firmen sehr zeit- und kostenintensiv. Deshalb sind die Stellen oft nur auf der Homepage zu finden. Der Vorteil für die Bewerber ist, dass bei den Firmen im Moment weniger Bewerbungen eingehen als sonst.
Und selbst eine Firma, die im Moment nicht einstellt, wird sich eine gute Initiativbewerbung in die Schublade legen und sobald die Lage wieder besser ist, gerne darauf zurückgreifen…
Haben Sie auch noch einen Tipp, ob und wie man sich vor Arbeitslosigkeit schützen kann?
Ja, gerade denen, die jetzt im Homeoffice sitzen, möchte ich noch sagen, dass es sehr wichtig ist, immer wieder in der Firma und bei den Kunden Präsenz per Telefon, E-Mail oder Videochat zu zeigen. Den Vorgesetzten immer auf dem Laufenden zu halten, wichtige Ergebnisse allen Entscheidungsträgern vorzulegen und soziale Kontakte zu Kollegen und Kunden zu pflegen ist in der Krise noch bedeutsamer als sonst.
Darüber hinaus sollte man stets offen für Arbeitsaufträge sein. Auch hier ist es noch wichtiger, zu signalisieren „Was kann ich für meine Firma tun?“, als nur auf Aufträge zu warten.
Doch vorsichtig: „Ich habe nichts zu tun“ kann schnell so gewertet werden, als sei mein Arbeitsplatz überflüssig. Besser ist „Ich könnte zudem noch … annehmen.“ Auch Weiterbildung stabilisiert den Erfolg. Ein Onlineseminar bei der VHS oder ein Fachbuch reicht oft schon, um im nächsten Mitarbeiter- oder Vorstellungsgespräch Interesse und Eigeninitiative zu beweisen.
Wer beruflich stabil oder sogar erfolgreich sein will, sollte seine Stärken und Kompetenzen sehr gut kennen und sie gut verkaufen können. Dazu gehört übrigens auch, dass man Nein sagen kann und sich dabei trotzdem gut verkauft.
In meinen Workshops für Arbeitssuchende habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass sehr viel Fleiß zu Arbeitslosigkeit und Burnout führen kann, wenn man sich nie mit Marketing in eigener Sache beschäftigt hat, weil man geglaubt hat, fleißig und gut zu sein reicht aus. Dabei denke ich insbesondere auch an die, die über Zeitarbeit beschäftigt sind.
Was werden Sie persönlich jetzt tun? Sie sind ja auch beruflich von der Krise betroffen, weil nach wie vor keine Workshops stattfinden dürfen.
Auch ich beschäftige mich mit dem Gedanken einer Neuorientierung. Doch erstmal versuche ich neue Klienten zu akquirieren. Wenn in den Firmen die Karten jetzt wieder neue gemischt werden, mit Entlassungen und Neueinstellungen, wird das Thema Coaching und Resilienz am Arbeitsplatz noch wichtiger.
Zudem habe ich mich für die Zeit, bis die Workshops wieder stattfinden, bei „Hessen-Helfen“ registriert. Ich biete jede Woche ein bis zwei kostenlose Coachingtermine für die, die gerade psychisch und wirtschaftlich in einer großen Krise stecken an. Natürlich in erster Linie per Skype und Telefon, aber inzwischen auch wieder in persönlichen Gesprächen. Gespräche in der freien Natur haben sich dabei sehr bewährt.
Vielen Dank für das Gespräch.
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Carola Menzel-Kolb ist Karriereberaterin und Coach in Gründau
https://www.mkk-coaching.de/
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